Instrumente zur Erhöhung des Anteils von Recyclingbaustoffen im Bausektor

Eine Betrachtung der in Deutschland verursachten Co2-Emissionen zeigt, dass das Bauen und die Nutzung von Gebäuden für etwa ein Drittel aller Emission verantwortlich sind und damit sogar deutlich mehr Treibhausgas verursachen als der jährliche Flugverkehr oder die Landwirtschaft. So entstehen alleine bei der Erzeugung der für Bau und Sanierung benötigten Rohstoffe bereits ca. 8 Prozent aller in Deutschland produzierten Treibhausgasemissionen.[1], [2] Und auch international trägt der Gebäude- und Bausektor mit knapp 38 Prozent (2020) maßgeblich zum CO2-Ausstoß bei. Um die im Pariser-Klimaabkommen festgelegten Ziele erreichen zu können, müssten diese Werte deutlich gesenkt werden.[3] Dafür ist eine Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft notwendig, in der Bauabfälle wieder in gleichwertiger Funktion in die geschlossenen Materialkreisläufe zurückgeführt werden.

Ein Blick auf die Verwertungsquoten der wichtigsten Abfallarten könnte vermuten lassen, dass wir in Deutschland bereits nah an diesem Ziel dran sind. So wird für die Bau- und Abbruchabfälle eine Verwertungsquote von 87,7 Prozent (2019) festgestellt, während bei Siedlungsabfällen wie Hausmüll nach Angaben des Umweltbundesamtes sogar 98,4 Prozent verwertet werden.[4] Das klingt jedoch deutlich besser als es in der Realität wirklich ist, da das Stichwort Verwertung auch die Hauptverwendung der Abfälle als Mittel zur Energieerzeugung sowie die Verfüllung umfasst. Hierbei handelt es sich eher um ein sogenanntes Downcycling statt des gewünschten Recyclingprozesses, da der Bauschutt nun lediglich einer minderwertigen Funktion dient.[5] Von einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft ist das allerdings noch weit entfernt.

Wichtige Maßnahmen

Aus Sicht von cum ratione besteht daher die absolute Notwendigkeit, konkrete Schritte einzuleiten, die den Anteil an Rohstoffen im Bausektor erhöhen, die als Recyclingmaterialen wieder in gleichwertiger Funktion in den Kreislauf eingehen können. Folgende Maßnahmen sind nach unserer Meinung besonders zielführend:

1. Einführung einer Ressourcensteuer: Hierbei handelt es sich um ein marktbasiertes Instrument, das dem Schutz von Ressourcen dienen soll. Es sind dabei verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten denkbar, wie Input- und Pigou-Steuern (Besteuerung der negativen externen Effekte) oder eine ökologische Differenzierung der Mehrwertsteuer: https://www.factory-magazin.de/themen/steuern/die-oekologische-wahrheit-ressourcensteuern-fuer-mehr-effizienz.html

  • Bei geeigneter Ausgestaltung stellt die Ressourcensteuer ein sehr effektives Instrument dar und sollte trotz möglicher Hürden bei der Einführung unbedingt von der Politik verfolgt werden. Interessant könnte in diesem Zusammenhang insbesondere die Einführung einer Zementsteuer sein.

2. Recyclingmaterialien in der öffentlichen Beschaffung: Eine Mindestmenge von Recyclingbaustoffen muss verpflichtender Teil der Auflagen für die öffentliche Beschaffung werden. In der Vergangenheit wurden Recyclingmaterialien teilweise ausgeschlossen oder einfach nicht berücksichtigt. Das muss sich dringend ändern. Ein interessantes Beispiel findet sich hier für Berlin: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/umweltfreundliche-beschaffung/gute-praxisbeispiele/gebaeudeneubau/berlin-einsatz-von-recycling-beton-im-hochbau

  • Aufgrund des enorm hohen Auftragsvolumens der öffentlichen Hand könnte diese Maßnahme ebenfalls eine große Lenkungswirkung entfalten.

3. Gesetzlich vorgeschriebene Rezyklateinsatzquoten: Die Einführung einer solchen Quote kann einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft darstellen, da sie starke Anreize für Investitionen in Sortier- und Recyclinganlagen setzt. Die Quote schreibt dabei ein Mindesteinsatzmaß von Recycling-Baustoffen vor, das nicht unterschritten werden darf.

  • Ebenfalls eine sehr sinnvolle und wirksame Methode, wenn der gewählte Anwendungsbereich breit genug ist und die Definition ausschließlich Prozesse umfasst, die eine Wiederverwendung der Rohstoffe in gleichwertiger Funktion beschreiben.

4. Anwendung des Baukastenprinzips: Beton könnte im Sinne einer Legostein-Bauweise bereits fertig geliefert werden. Dahingehend sollte festgelegt werden, dass Ortsbeton nur noch zulässig sein kann, wenn ein Fertigbau nicht möglich ist.

  • Hierbei handelt es sich um eine sehr ressourcensparende Bauweise, da die Fertigbauteile beim Abriss einfach in gleicher Funktion wiederverwendet werden können. Gleichzeitig kann die Bauzeit erheblich reduziert werden. Da die Produktion des Betons unter kontrollierten Bedingungen stattfindet, kann zudem eine höhere Qualität gewährleistet werden.
  • Interessantes Beispiel: Triqbriq als Holzbausystem für nachhaltigen Rohbau

Wichtige Maßnahmen

5. Umweltdeklarationen für Bauprodukte (EPD): Diese sollen Informationen zu Produkten und deren Anwendung bieten und damit als Grundlage für die Dokumentation der im Gebäude verbauten Rohstoffe dienen. Sie umfassen dabei Angaben über den Energie-, Flächen- und Rohstoffverbauch, die verursachten Emissionen bei der Herstellung und Daten zur Rezyklierbarkeit.[6] Diese können auch dabei helfen, CO2-Obergrenzen für Gebäude vorzugeben, wie es in anderen europäischen Ländern bereits beschlossen worden ist: https://www.re-source.com/wp-content/uploads/2022/05/BPIE-2022-Good-Practices-EU-Building-Sector.pdf

  • Dieser Vorschlag befand sich bereits im Entwurf für das deutsche Ressourceneffizienzprogramm 2020 bis 2023, wurde allerdings (aufgrund des starken Lobbyeinflusses?) wieder gestrichen.

6. Ressourceneffizienz als Kriterium in KfW-Förderung: Nicht nur der Energieverbrauch während der Nutzungsphase von Gebäuden, sondern auch die Umweltbilanz zu Errichtung dieser im Vorfeld muss Betrachtung finden. Die damit zusammenhängenden Daten könnten als eigenes Kriterium in die Förderbedingungen der KfW-Bank aufgenommen werden.

  • Insbesondere in Zeiten von Kostensteigerungen durch höhere Rohstoffpreise und gestiegene Handwerkleistungen ein sehr effektiver Anreiz.

Weitere Vorschläge für begleitende Maßnahmen:

  • Rückbaukonzepte und Dokumentationspflichten als Teil der Baugenehmigung
  • Bauteilsichtung vor dem Abriss und getrennte Sammlung direkt an der Baustelle
  • Änderung Flächennutzungspläne zugunsten von Behandlungsflächen für Bauabfälle
  • Abbau von Hemmnissen beim Betrieb von Recyclinganlagen
  • Betrieb von Recyclinganlagen mit ökonomischen Anreizen verbinden
  • Forschung zu alternativen klimaschonenden Baustoffen
  • Schulungen für Architekt*innen und Bauträger*innen

[1] NABU (2022), „Klimaschutz beim Bauen“, Zugriff am 09.06.2022 unter https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/energieeffizienz-und-gebaeudesanierung/29050.html

[2] Umweltbundesamt (2022), „Beitrag der Landwirtschaft zu den Treibhausgas-Emissionen, Zugriff am 09.06.2022 unter https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas

[3] Solarify (2020), „Rekord-CO2-Ausstoß im Baubereich“, Zugriff am 09.06.2022 unter https://www.solarify.eu/2020/12/17/331-0-rekord-co2-ausstoss-im-baubereich/

[4] Umweltbundesamt (2021), „Verwertungsquoten der wichtigsten Abfallarten“, Zugriff am 09.06.2022 unter https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/verwertungsquoten-der-wichtigsten-abfallarten

[5] Transforming Cities (2019), „Baubranche ist weltweit für ein Viertel alles CO2-Emissionen verantwortlich“, Zugriff am 09.06.2022

[6] Umweltbundesamt (2018), „Rechtliche Regelungen für Bauprodukte“, Zugriff am 09.06.2022 unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/produkte/bauprodukte/rechtliche-regelungen-fuer-bauprodukte#einleitung